Warum jetzt?
Um das zu erklären, muss ich ein wenig ausholen (Ungeduldige dürfen gerne einfach weiterscrollen) und wohl mit zwei meiner schlechten Eigenschaften anfangen: Ich bin sehr ungeduldig und eher faul. Schon immer gewesen. Hart auf etwas hinarbeiten blieb mir viele Jahre erspart. Zu Schulzeiten habe ich Logisches meist schnell verstanden. Auswendig lernen war eine Aufgabe für die morgendliche Bahnfahrt am Tag der Klausur. Nicht nachhaltig, aber effektiv. Für ein vernünftiges Abitur hat es auch so gereicht.
In der Freizeit dann das gleiche Spiel. Als Fußballer war ich halbwegs talentiert – gute Gene (danke Papa). Trotzdem habe ich spät im Verein angefangen. Nach einem Jahr in der untersten Jugendklasse hat mich ein Scout für die Landesliga-Truppe des traditionsreichen Karlsruher FV abgeworben. Hätte ich als Ehre sehen sollen und mir den A**** aufreißen. Habe ich aber nicht. Im Training habe ich immer wieder gefehlt, Laufpläne für die Vorbereitung sind schnell in Ablage P gelandet. Wir sind damals aufgestiegen. An mir lag es eher nicht, trotz Stammplatz im Tor. Ich habe gemerkt, dass ich mehr hätte tun müssen. Also habe ich nach einem Jahr hingeworfen, statt mich wirklich reinzuhängen.
Mehr Beispiele? Mit 16 habe ich davon geträumt, als DJ durchzustarten. Plattenspieler und Mischpult gab es irgendwann zum Geburtstag. In Vinyl ist viel Taschengeld geflossen. Das Zeug war aber ganz schön teuer, also habe ich nach Extra-Cash gesucht. Das lag aber nicht auf der Straße, sondern musste mit einem Nebenjob in einem Baumarkt erarbeitet werden. Einmal war ich dort. Für drei Stunden. Dann hat wieder die Faulheit gewonnen.

Jetzt ist das mit der Faulheit natürlich mit zunehmendem Alter so eine Sache. Zur Jugendzeit haben meine Eltern das möglich gemacht (kein Vorwurf). Auch als Student ging das erstmal so weiter. Ich habe im Elternhaus gewohnt, hatte keine Verpflichtungen. Zum ersten Mal bin ich zu dieser Zeit auch an mentale Grenzen gestoßen. Ich hatte mit Informatik an der Uni Karlsruhe begonnen und bin nach einiger Zeit zu Geophysik gewechselt. Beides interessant, beides schwierig und beides mit hohen Anforderungen an logisches Verständnis und leider eben auch Lernfleiß.
Mit Blick auf meine Historie und meine erwähnten schlechten Eigenschaften war es wohl von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zum Glück gab es für mich mit Mitte 20 gleich zwei Schlüsselerlebnisse, die gezeigt haben, dass sich an Ungeduld und Faulheit wenigstens arbeiten lässt. Zum einen bin ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau zusammengezogen. Zum anderen habe ich die Chance bekommen, als Volontär bei einer Sonntagszeitung anzufangen. Beides war eher Zufall – trotzdem bin ich mit beidem anders umgegangen als mit Schule und Studium, Fußball- und DJ-Karriere.
Meine Freundin war in ihre erste eigene Wohnung gezogen. Ich war gern bei ihr. Aus zwei Nächten die Woche wurden schnell vier, dann sieben. Im Kleiderschrank hingen immer mehr meiner Klamotten. Also wollte ich mich an der Miete beteiligen und das nicht mit dem Geld meiner Eltern. Über Umwege kam ich an einen Nebenjob im Briefzentrum der Post. Dort habe ich mich wirklich reingehängt. Ich habe Nachtschichten geschoben, war mindestens drei Tage die Woche dort, habe meine Faulheit überwunden. Und es hat sich gut angefühlt.
Gleichzeitig plätscherte das Studium eher vor sich hin. Es war angelegt auf Diplom, elf Semester Regelstudienzeit. Ich ließ mir schon für das Vordiplom Zeit. Wieder kam mir der Zufall zu Hilfe: Ich übernahm die Texte für das Hallenheft des damaligen Basketball-Zweitligisten BG Karlsruhe, weil mir die neue Geschäftsführerin das Vertrauen schenkte. Wenig später wurde ich Pressesprecher – natürlich ehrenamtlich. Ich steckte viele Stunden Zeit und Energie in das Projekt. Von Faulheit dieses Mal keine Spur. Der Lohn ließ nicht lange auf sich warten. Erst wurde ich Freier Mitarbeiter bei den Badischen Neuesten Nachrichten (wohin mich das Leben mittlerweile als Redakteur hingespült hat), dann Volontär bei „Bouvelard Baden“, zwischendurch sieben Jahre zum Fernsehen. Ich habe mich als Journalist nie über Überstunden oder Wochenendschichten beklagt. Ich liebe den Job, ich arbeite hart dafür.
Wer sich nicht für den langen Bogen interessiert, kann an dieser Stelle einsteigen.
Ich hatte also gelernt, meine Faulheit für Familie und Beruf zu besiegen. In Freizeit und Sport ist die Rechnung immer noch offen. Für ein Ziel wirklich zu ackern, an Grenzen zu gehen, Rückschläge zu überwinden und die Befriedigung zu erleben, wenn es dann klappt – all das hatte ich noch nie. Ich bin jetzt 38. Und das wird sich nun ändern.
Der Sport (naja, Sport selbst machen – nicht der Sport allgemein) hat erstmal eine untergeordnete Rolle gespielt, nachdem ich nach der Jugendzeit meine Fußballschuhe an den Nagel gehängt hatte. Ich war eigentlich immer in irgendeinem Fitness-Studio angemeldet. Mehr so pro forma. War mal einen Monat halbwegs regelmäßig dort. Dann wieder ein halbes Jahr nicht mehr. Faulheit.
Das gleiche Bild auch beim Laufen. Ich hatte das immer wieder aus den verschiedensten Gründen angefangen und meist genauso schnell wieder gelassen. Mal wollte ich abnehmen, mal vom Alltag abschalten, dann einen Halbmarathon bestreiten. Ausdauer hatte ich nie – wortwörtlich.
Klar, ich habe in den vergangenen Jahren das ein oder andere kleine Ziel erreicht. Ich habe 2016 die Alpen auf dem E5 überquert – gemütlich wandernd, sofern man bei ein paar Tausend Höhenmetern von gemütlich sprechen kann. Halbmarathon bin ich mittlerweile mehrfach gelaufen. 2017 sogar bergauf am Aletschgletscher. Einmal pro Jahr geht es für mich in zügigem Tempo auf die Zugspitze. Aber für nichts davon habe ich meine Faulheit wirklich hinter mir gelassen. Ich habe mich nie über Monate gezielt vorbereitet, hatte keinen Plan und musste nie an Grenzen gehen.

Das hat schließlich auch zu einer meiner bittersten sportlichen Stunden geführt. Im Herbst 2017 wollte ich – überheblich wie ich war – einige Zeit nach dem Aletsch-Halbmarathon quasi im Vorbeigehen den Gelita Trail Marathon in Heidelberg laufen. In den Wochen davor bin ich so gut wie nicht gelaufen. Hatte immer andere Ausreden. Reicht auch so, habe ich mir eingeredet. Die Quittung kam im Rückblick überraschend spät, aber sie kam. Nach gut 30 Kilometern war Schluss, meine Beine haben dicht gemacht. Die Faulheit hatte mich besiegt.
Herausforderungen zu suchen – auch das ist eine meiner Eigenschaften. Was jeder macht oder kann, ist langweilig. Daher ist seit Mitte 2019 die Idee gereift, die Alpen rennend zu bezwingen, nicht nur wandernd. Seit ich vom Transalpine Run gehört habe, hat mich das immer wieder beschäftigt. Seit März 2020 weiß ich: Ich will das machen, egal wie bekloppt man dafür sein muss. Und ich weiß, dass ich dafür meine Faulheit auch sportlich hinter mir lassen muss. 2021 dabei sein ist das Ziel.
Bisher habe ich mich nur oberflächlich mit dem Transalpine Run beschäftigt. Habe mal grob auf Strecken geschaut, folge dem offiziellen Instagram-Account. Ganz viele Fragen sind noch offen und noch mehr Trainingskilometer liegen vor mir. Ich bin und bleibe Hobbysportler, muss die verrückte Idee mit meinem Job und meiner Familie verbinden. In den nächsten Monaten muss ich auch noch einen Gleichgesinnten finden – schließlich fällt der Startschuss für den Transalpine Run nur für ein Duo…
Den Blog starte ich bewusst früh, weil ich hier meinen Weg dokumentieren und reflektieren will – vor allem für mich selbst. Ich will keine Lebensweisheiten verbreiten, keine Trainingstipps geben. Ich bin kein Experte, ich suche selbst erst den richtigen Weg. Vielleicht hat der ein oder andere von Euch ja Tipps parat, aufmunternde Worte oder auch Kritik? Wenn ihr was los werden wollt, schreibt mir in die Kommentare oder per Mail an pascal@pschuett.com – ich freue mich über jede Nachricht!