Gipfelstürmer: Die Zugspitze ruft (laut)

Gipfelstürmer: Die Zugspitze ruft (laut)

Mein Hausberg liegt 315 Kilometer entfernt. Lag er schon immer. Trotzdem verbindet mich seit einigen Jahren viel mit ihm. Sechs Mal stand ich in den vergangenen fünf Jahren auf dem Gipfel. Sechs Mal bin ich über die selbe Route gewandert. Ich kenne jeden Abzweig, jede Kurve, jedes Schild. Ich war bei Schnee oben, bei Hitze, bei Regen. Wird das nie langweilig? Nö. Einerseits weil ich trotzdem immer Neues entdecke, andererseits weil ich mir bei jedem Aufstieg neue Herausforderungen setze. Vor ein paar Tagen war es wieder so weit. Die Zugspitze hat gerufen und ich bin dem Ruf gefolgt. Dieses Mal wollte ich den Aufstieg mit meiner Vorbereitung für den Transalpine Run verbinden, also Trailrunning-Schuhe an und Tempo machen.

Ein paar Vorworte, dann geht’s zur Strecke, versprochen! Auf den Gipfel führen ganz verschiedene Routen. Die meisten über Klettersteige. Für Wanderer bieten sich zwei Varianten an. Eine kürzere aus Ehrwald in Österreich, eine längere mit Start an der Schanze in Garmisch-Partenkirchen. Ich nehme traditionell die zweite. Die ist rund 25 Kilometer lang und macht einen Bogen um die Bergkette, um die Zugspitze von der Südseite zu erreichen. Der erste Teil der Strecke ist eher gemütlich mit ein paar kurzen Anstiegen. Sie führt bis zur Reintalangerhütte auf 1.366 Metern Höhe. Danach wird es dann richtig knackig. Laut Beschilderung dauert die Wanderung etwa 10 bis 11 Stunden…ich wollte unter 5 Stunden oben sein.

Mit Blick auf die Schanze geht es los…

Wie es sich für den Hausberg gehört, ist die Zugspitze für mich eine Tagestour. Heißt: Ich fahre irgendwann zwischen 1 und 3 in der Nacht los, um früh in Garmisch anzukommen. Um 5.30 Uhr habe ich diesmal das Auto am Bahnhof geparkt (und mir nach der Rückfahrt per Zug die zwei Kilometer bis zum Parkplatz an der Schanze zu sparen). War auch ganz praktisch, so konnte ich die ersten Meter zum Warmlaufen nutzen.

Zunächst führt die Strecke in Richtung Partnachklamm. Die ist zwar wirklich schön, aber leider seit einigen Jahren erst ab 8 Uhr geöffnet. Früher konnte man abseits der Öffnungszeiten einfach so durch, jetzt geht das nicht mehr. Also musste ich vor der Klamm nach rechts in Richtung Partnachalm ausweichen. Dorthin führt ein Wirtschaftsweg, der mich erstmal recht steil und dann in Wellen rund 200 Höhenmeter nach oben bringt. Danach führt die Strecke rechts oberhalb der Partnach entlang – ohne beeindruckende Trails, aber für Läufer ein angenehmes welliges Gelände.

Der Weg über die Partnachalm ist die Ausweichstrecke, da die Klamm früh am Morgen noch gesperrt ist.

Erst nach gut zehn Kilometern verlässt man den befahrbaren Teil der Route. Ein paar gelagerte Bierfässer an der Biegung und abgestellte Forstfahrzeuge kündigen das Ende des Weges an, dann verjüngt er sich und führt als kleiner Pfad bergab in Richtung Flusslauf. Vom ersten Anstieg abgesehen hat man bis hier kaum Höhe gewonnen. Dafür kam ich gut voran, meist zwischen 5:30 und 6 Minuten pro Kilometer.

Jetzt habe ich endlich das Gefühl, in den Bergen angekommen zu sein. Es ist um 6.30 Uhr noch knackig kalt, die Sonne hat das Tal noch nicht erreicht. Fürs Laufen umso besser, ich komme gut voran. Von diesem Punkt an geht es langsam aber stetig bergan, immer die Partnach entlang. Nach kurzer Zeit erreiche ich die Bockhütte, die lasse ich aber links (oder eher rechts in dem Fall) liegen. Der Pfad windet sich durch Wald und Gebüsch, quert immer wieder kleine, trockene Flussläufe, die zur Schneeschmelze viel Wasser führen. Die meisten Streckenstücke lassen sich trotzdem im zügigen Trail-Tempo laufen. Nach rund 17 Kilometern und einer weiteren Stunde erreiche ich schließlich die Reintalangerhütte. Bei meinen bisherigen Aufstiegen habe ich den Moment gerne für eine Pause genutzt, dieses Mal geht es direkt weiter. Durchatmen will ich etwa zwei Kilometer später, kurz bevor es knackig steil wird.

Nach der Reintalangerhütte wird die Strecke deutlich unwirtlicher. Ich verabschiede mich von den Pfaden am Flussrand. Die Partnach-Quelle liegt nur wenige Schritte entfernt, ansonsten kämpft man sich zwischen Büschen und Geröll bis zum Ende des Tales. Die Richtung ist zwar klar, trotzdem ändern die Schneeschmelze und Regenfälle jedes Jahr ein bisschen was. Eine Wiese, auf der meist Ziegen grasen und die in in Geröllfeld übergeht, ist das letzte wirkliche Flachstück der Route. Bis hier bin ich den größten Teil der Strecke gejoggt. Zweimal haben mich Wanderer angesprochen, etwas verwundert, weil ich doch recht eilig an ihnen vorbeigezogen bin. Jetzt gönne ich mir eine erste Pause und einen Riegel, denn ich weiß, was kommt…

Einmal die Wand hinauf bitte – der Anstieg zur Knorrhütte ist sicher der knackigste und forderndste Abschnitt der Route.

Wer die Strecke zum ersten Mal läuft, kann hier ganz schön kalt erwischt werden. Am Ende des Tals führt der Weg kaum sichtbar zwischen Geröll und kleinen Büschen den Hang hinauf in Richtung Knorrhütte. Fast 570 Höhenmeter gilt es im Kernstück des Anstiegs innerhalb von zwei Kilometern aufzusteigen. Dazu brennt im Sommer oft die Sonne erbarmungslos in den Hang, auf Schatten lässt sich nicht hoffen.

Ich habe dieses Mal Glück, um 7.30 Uhr ist es weiter wolkig und frisch. Trotzdem geht es nun nicht mehr im Joggingtempo voran, ich wechsle in einen zügigen Wanderschritt. Nach einigen Serpentinen wechselt die Route bald in einen Schacht als Geröll. Die Richtung ist zwar klar, einen Pfad erkannt man aber oft nicht. Wenn man die endlos scheinende Rinne hinter sich hat und nach rechts in den nächsten Hang abbiegt, rückt das Zwischenziel wenigstens näher. Mit der Überschreitung der Kuppe erkannt man zum ersten Mal die Knorrhütte. Nach etwas mehr als 46 Minuten erreiche ich die Hütte, auf den Schildern sind dafür rund zwei Stunden vorgesehen.

Da ich gut in der Zeit liege, gönne ich mir hier ein paar Minuten Pause und ein Radler. Allerdings zieht es nun auch zu. Wolken bringen ein paar Regentropfen, es ist windig. Zum Glück habe ich eine dünne Jacke eingepackt, für mehr war im Laufrucksack kein Platz. Reicht aber auch, um nicht auszukühlen. Trotzdem schaut die Wirtin etwas verwundert, als ich sage, dass ich weiter Richtung Gipfel ziehe.

Vom Lauftempo habe ich mich längst für den Rest des Tages verabschiedet, das war mir bewusst. Der Weg nach oben ist dafür deutlich zu steil. Trotzdem fühlen sich die Beine noch gut an, die Höhenluft macht mir nicht zu schaffen und ich kann das schnelle Wandertempo halten. Von der Knorrhütte führt das nächste Streckenstück bis zum Gletscher. Auf über 2.000 Metern wächst noch ein wenig Gras, ein paar Ziegen zupfen es zwischen den Spalten im Fels hervor. Davon abgesehen ist die Landschaft grau und steinig. Der Weg geht man mal, mehr weniger steil nach oben, oft lässt er sich nur noch durch die zahlreichen rot-weißen Markierungen erkennen. Auf der Strecke ist es ungewohnt leer, möglicherweise hat das relativ kühle Wetter Wanderer abgeschreckt.

Auch im Juli gibt es auf dem Weg Richtung Sonnalpin noch kleine Schneefelder.

Wenn ich eine Welle hinter mich gebracht habe, sehe ich immer wieder die Seilbahn an Sonnalpin näherkommen – wenn der Nebel den Blick freigibt. Ein bisschen Rest-Schnee hat sich auch im Juli hier oben in den Senken gehalten. Die Pfade darüber sind schon ausgetreten. Von Gletscher-Gefühl ist man trotzdem weit entfernt. Rund 49 Minuten brauche ich für die knapp drei Kilometer und 500 Höhenmeter. Nach weniger als vier Stunden stehe ich vor dem letzten Abschnitt, den Gipfel kann ich rechts über mir längst erkennen.

Die Pause fällt an dieser Stelle trotzdem kurz aus. Verschwitzt will ich trotz Jacke nicht lange im zugigen, kalten Wind stehen. Außerdem will ich das nächste Stück so schnell es geht hinter mich bringen. Für angeschlagene Läufer ist das ohnehin eine Qual. Ich muss mich über ein Feld aus losen Gesteinsbrocken nach oben kämpfen. Immer wieder rutschen Steine unter den Füßen weg, das kostet natürlich unnötig Kraft. Eine Route gibt es ohnehin nicht. Wer sich auskennt, kann aber den Beginn des seilgesicherten Abschnitts ins Visier nehmen, der direkt an das Geröll anschließt. Wahrscheinlich habe ich nur etwa zehn Minuten dafür gebraucht, gefühlt war das trotzdem der längste Abschnitt meiner Tour.

Sieht nach Vorfreude aus, war aber unangenehm. Auf dem Weg über das Schotterfeld rutscht man immer wieder weg.

Mit einem guten Schuss Euphorie geht’s danach direkt in den „Schlussspurt“, der in diesem Fall keiner ist. Einerseits stecken mehr als 20 Kilometer und gut 2.000 Höhenmeter in den Knochen. Andererseits wird’s nun schmal, steil und oft gesichert durch Seile. Konzentration ist bei schwindender Kraft natürlich umso wichtiger. Damit ich auch das ganze Paket mitbekomme, fängt es jetzt auch noch an zu schneien. Im Juli. Herrlich! Auf dem Weg zum Gipfel passiere ich einige Wandergruppen. Dann muss ich ein paar Minuten warten, weil ein Hubschrauber Baumaterial liefert. Irgendwie soll ich offenbar nicht so schnell oben ankommen…

Ausgebremst: Wegen eines Hubschraubers musste ich kurz vor dem Gipfel nochmal im Schneegestöber pausieren.

Aber dann geht’s plötzlich ganz schnell. Hubschrauber, letzte paar Meter gekraxelt und nach etwas mehr als viereinhalb Stunden laufe ich die Stufen zur Plattform nach oben. Puh! Fühlt sich so gut an, #runnershigh am höchsten Punkt Deutschlands! Ich bin in den vergangenen Jahren schon mit Freunden hier oben gestanden, habe die Strecke schon in fünfeinhalb Stunden geschafft, bin auch mal direkt wieder runtergelaufen. Aber das war wieder was Neues. Was mich oben erwartet, ist dann umso schöner. Es ist kurz vor Mittag fast nix los und die Wolken reißen auf und geben für ein paar Minuten den Blick frei.

Ausnahmsweise nehme ich dann auch noch die letzten Meter zum Gipfelkreuz, weil eben keine Touristen in Badelatschen rüberdrängen. Bestimmt zwei Minuten sitze ich ganz allein am Gipfel. Der Kopf ist leer. Endorphin im Körper. Geiles Feeling!


5 Gedanken zu „Gipfelstürmer: Die Zugspitze ruft (laut)

  1. Interessanter Bericht! Scheint doch eine prima Entwicklung bei dir – auch im Hinblick auf den TAR :-). Da wäre ich glaube ich ganz zufrieden. Und das mit der Anreise mitten in der Nacht ist ja auch noch mal ne eigene Nummer. Mir erscheinen ehrlich gesagt meine 1,5h Anfahrt schon so manches Mal unverhältnismäßig lang, obwohl ich die Touren als Training aber irgendwie auch kleine Auszeit dann doch immer sehr genieße. Alles Gute für deine weiteren Aktivitäten diesen Sommer!

  2. Hallo Pascal,
    ich komme gerade von der 3 Tageswanderung von Garmisch über Reintalangerhütte, Knorrhütte, Zugspitze und Ehrwald zurück und bin total geflashed. War echt ein Erlebnis und ich weis deine Zeit einzuschätzen. Der Hammer! Hut ab!
    Ich habe ein Pärchen kennen gelernt die sind um 4 Uhr an der Sprungschanze gestartet und waren um 14:00 Uhr auf dem Gipfel.

    1. Hey Thomas,

      danke schön! Hab das Bloggen die Tage leider schleifen lassen, war viel los zuhause. Sich mal Zeit zu lassen und die Hütten zu erleben war aber sicher auch toll!? Egal wie man da ankommt, das ist immer ne Leistung 🙂

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